
Werke
Internationale Bedeutung hatte Ernst Barlach schon zu Lebzeiten. Dabei ging und geht es um mehr als die brillante ästhetische Formensprache seiner Kunst. Wie Ausstellungen in– und außerhalb Europas bis heute zeigen, beeindruckt sein Werk noch immer durch die Empathie für den Menschen und das sich Verantwortlichfühlen für den Zustand der Welt. In seiner Kunst spiegeln sich die Entwicklungen der Modernisierung, die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Umbrüche und die bis heute aktuelle Suche nach einer Wertegemeinschaft für eine friedliche und nachhaltige Zukunft. Die frühen Arbeiten, die zwischen 1890 und 1905 entstehen, sind noch ganz im Jugendstil und der Satire des Fin de Siècle verhaftet. Barlach stellt Begabung und handwerkliches Können unter Beweis, sucht jedoch seine persönliche Handschrift
Ernst Barlach, Die Krautpflückerin, Zeichnunge aus dem Skizzenbuch Friedrichsroda 1894, Blatt 10
Ernst Barlach, Die Krautpflückerin, Bronze nach dem Werkmodell von 1894 © Foto Bernd Boehm
Ernst Barlach, Frau mit Katze, Feder 1899
Ernst Barlach, Selbstbildnis mit Barett und Kalkpfeife, Kohle, 1895
Ernst Barlach, Mephistopheles und Wagner mit dem Homunculus, Kohle 1897
Titelblatt Jugend
Ernst Barlach, Titelblatt Jugend - Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben 1899
Mit der Reise in das südliche Russland 1906, die heutige Ukraine, setzt eine grundlegende Neuorientierung des Künstlers ein, die drei wesentliche Aspekte beinhaltet: Überwältigt ist Barlach von der Landschaft, der Steppe und ihrer, wie er sagte, Nie Endlichkeit. Daraus wächst sein metaphysisches Gegenbild zum Rationalismus des frühen Jahrhunderts. Das Volk, die Menschen, besonders die einfachen Bauern und Bettler, mit denen er fünf Skizzenbücher während seiner Reise füllt, begreift Barlach als Prototypen echten Menschseins gegen den Materialismus der westlichen Welt. In Plastik und Zeichnung werden sie seine Ikonen der Moderne, auf die er noch Jahrzehnte lang zurückkommen wird. Schließlich beeindruckt ihn die authentische und subjektive Gläubigkeit der russisch-orthodoxen Landbevölkerung als spirituelle Lebensqualität und Orientierung. Mit Russland findet er „freie Bahn“ und bis 1914 entstehen etwa 100 plastische Werke aus Gips, Keramik und Holz. Es sind vorwiegend Bettler, Bauern, schlafende, träumende, musizierende, in sich ruhende Menschengestalten, die Barlach in auf ein Minimum reduzierter Formensprache einer überirdischen Raum- und Zeitebene anvertraut.
Ernst Barlach, Wegelagerer, Feder auf Kohle 1907-1908
Ernst Barlach, Tauziehender russischer Bauer, Lithografie aus: Eine Steppenfahrt 1922
Ernst Barlach, Bettlerin mit Kind, Bronze 1907 © Foto Bernd Boehm
Ernst Barlach, Sorgende Frau, Holz 1910 © Foto Bernd Boehm
Ernst Barach, Russisches Bauernpaar, Blei 1907
Ernst Barlach, Hockende Bettlerin ,Ton ungebrannt 1907-08 © Foto Bernd Boehm
Ernst Barlach, Der Berserker, Holz 1910 © Foto Bernd Boehm
Ernst Barlach, Drei ruhende Frauen, Lithographie aus: Eine Steppenfahrt, 1912
Ernst Barlach, Die Bäuerin Feodorowna, Blei 1906
Ernst Barlach, Der Spaziergänger, Gips 1912 © Foto Bernd Boehm
Ernst Barlach, Der Berserker, Feder und Kohle 1910
Ernst Barlach, Der Dorfgeiger, Holz 1914 © Foto Bernd Boehm
Bereits vor dem ersten Weltkrieg, um 1910, tauchen auch die ersten Kämpfer für eine bessere Welt in seinem Werk auf, Schwertzieher oder Berserker, wie er sie nennt. Der grausame und erste mit technischer Waffengewalt geführte Krieg bewirkt jedoch eine Wende. Trauer, Sorge und Leid, die Frage nach den Grenzen der Existenz werden zum vorrangigen Motiv der künstlerischen Arbeit. Auch die Frauen, die archaischen Alten und Weisen, die Hüterinnen des Lebens gewinnen Bedeutung für Barlach. Bereits 1921 entsteht das erste Ehrenmal für Kiel. Die Arbeit an monumentalen Bildwerken und Friedensmonumenten bestimmen die Jahre ab 1927. Es entstehen das Güstrower, das Magdeburger und das Hamburger Ehrenmal, ebenso der Geistkämpfer für Kiel.
Ernst Barlach, Der heilige Krieg, Kohle 1914
Ernst Barlach, Frau mit den untergeschlagenen Armen, Bronze nach dem Werkmodell von 1922 © Bernd Boehm
Ernst Barlch, Mutter Erde, Bronze nach dem Gipsmodell um 1920 © Foto Bernd Boehm
Ernst Barlach, Die Kupplerin II, Bronze nach dem Werkmodell von 1920 © Foto Bernd Boehm
Ernst Barlach, Der Asket, Holz, 1925 © Bernd Boehm
Ernst Barlach, Das Grauen, Bronze nach dem Werkmodell von 1923 © Foto Bernd Boehm
Ernst Barlach, Magdeburger Ehrenmal, Bronze nach dem Werkmodell von 1928/29 © Foto Bernd Boehm
Ernst Barlach, Zwei Kopfstudien zum Magdeburger Mal, Kohle 1928
Ernst Barlach, Der Träumer, Holz 1925 © Foto Bernd Boehm
Ernst Barlach, Das Wiedersehen, Bronze nach dem Werkmodell von 1926 © Foto Bernd Boehm
Ernst Barlach, Bettelvolk, Lithographie 1930
Ernst Barlach, Das Güstrower Ehrenmal, Bronze, 1927 © Foto Bernd Boehm
Um 1930, Barlach hat gerade mit dem Bau seines Atelierhauses begonnen, verstärken sich die Einflüsse der NSDAP und völkischer Kreise auf das kulturelle Leben in Deutschland. Barlachs Ehrenmale, aber auch der für die Katharinenkirche in Lübeck geplante Figurenfries „Gemeinschaft der Heiligen“ erfahren erheblichen Widerspruch und Ablehnung. Eine erste in den Weimarer Museen durchgeführte Konfiszierung unerwünschter Kunstwerke steht gar unter dem Motto „Gegen Barlach-Richtung in der Kunst – Kampf gegen das ostische und minderrassige Menschentum“. Barlach arbeitet am Fries der Lauschenden. Die ersten drei Figuren werden von dem jüdischen Unternehmer Ludwig Katzenellenbogen beauftragt und bezahlt. Wie viele andere Sammler, Galeristen und Mäzene Barlachs gerät auch er bald in politische und finanzielle Schwierigkeiten und muss den Auftrag zurückziehen. Ab 1934 werden Ausstellungen von Barlach geschlossen, Verkäufe sind kaum noch möglich, der finanzielle aber auch mentale Druck ist groß. Das Ekstatische verschwindet beinahe ganz aus den Werken. Seine Figuren spiegeln die Einsamkeit, die Sinnsuche, den Zweifel und den Rückzug in die Innerlichkeit, die das Leben Ernst Barlachs in den letzten Lebensjahren bestimmen.
Ernst Barlach, Der Bettler (Gemeinschaft der Heiligen), Bronze nach dem Werkmodell von 1930 © Foto Bernd Boehm.
Ernst Barlach, Entwurf Fries der Lauschenden, Kohle, 1930
Ernst Barlach, Der Buchleser, Bronze 1936 © Foto Bernd Boehm
Ernst Barlach, Soldatengruppe, Bronze nach dem Gipsmodell von 1932 © Foto Bernd Boehm
Ernst Barlach, Soldatengruppe, Entwurf für ein Ehrenmal in Stralsund, Kohle, 1932
Ernst Barlach, Der Flötenbläser, Bronze 1936 © Foto Bernd Boehm
Ernst Barlach, Der Wanderer im Wind, Gips, 1934 © Foto Bernd Boehm
Ernst Barlach, Entwurf Hamburger Ehrenmal, Mutter und Kind, Kohle, 1930
Ernst Barlach, Der Zweifler, Bronze 1931 © Foto Bernd Boehm
Ernst Barlach, Mutter mit Kind II, Bronze 1935 © Foto Bernd Boehm
Ernst Barlach, Frierende Alte, Russische Bettlerin, Holzschnitt, aus Der Kopf, 1920
Ernst Barlach, Frierende Alte, Bronze 1937 © Foto Bernd Boehm